Weil jedes Leben lebenswert ist

Vor 30 Jahren öffneten die heutige Langzeitpflegeeinrichtung für Schwerstpflegebedürftige und das Hospiz „Stella Maris“ der Communio in Christo ihre Türen für schwerkranke und sterbende Menschen – Vorreiter in der Hospizbewegung – Langzeitpflege möchte Bewohnern ein Zuhause sein

Mechernich – Am 22. Mai jährt sich der Tag zum 30. Mal, als Mutter Marie Therese, Gründerin der Communio in Christo, in Mechernich das Hospiz „Stella Maris“ gründete. Die Hospizbewegung stand damals noch ganz am Anfang — „Stella Maris“ gehörte zu den ersten vier Hospizen in Deutschland — und tatsächlich war der Begriff „Hospiz“ noch gar nicht fest definiert. So kam damals unter einem Dach zusammen, was heute zwei getrennte Einrichtungen des Sozialwerks Communio in Christo e.V. sind: das Hospiz „Stella Maris“ und die Langzeitpflege für Schwerstpflegebedürftige. Der Grundgedanke damals wie heute: der gelebten Nächstenliebe ein Gesicht geben.

Im Mai 1990 öffnete die von Mutter Marie Therese gegründete Einrichtung ihre Türen für sterbende und schwerkranke Menschen. Aufgenommen wurden vor allem diejenigen, die sonst durchs Raster fielen — zum Beispiel Aidskranke, die aus Angst vor Ansteckung mit der damals noch weitgehend unerforschten Krankheit niemand pflegen wollte. So machte die Pflegeeinrichtung als „Aids-Klinik“ Schlagzeilen, und erfuhr vor allem aufgrund von Berührungsängsten viel Widerstand und Ablehnung.

Konvent und Patienten unter einem Dach

Abhalten ließ sich Mutter Marie Therese davon nicht. Wegbegleiter und Communio-Generalsuperior Karl-Heinz Haus weiß noch genau, dass die resolute und äußerst pragmatisch veranlagte Gründerin keinen Widerspruch bei der Durchsetzung ihrer Werke duldete. Was sie wollte, das wurde auch getan, und zwar „weil es von Gott kam“, so Pfarrer Karl-Heinz Haus. Er erinnert sich: „Innerhalb nur eines halben Jahres war das Hospiz an der Bruchgasse in Mechernich bereits fertig und 30 Patienten zogen als unsere neuen Nachbarn und Familienmitglieder ein.“ In dem neuen Gebäude lebten nämlich die Pflegebedürftigen im Erdgeschoss und die Mitglieder des Communio-Konvents im Obergeschoss.

In der Pflegeeinrichtung zogen sowohl Aidskranke als auch beatmungspflichtige Patienten und Menschen mit infektiösen Erkrankungen ein. Schon im darauffolgenden Jahr musste der Communio-Konvent mit der Gründerin seine Wohnungen räumen und zurück in den Nachbarkomplex ziehen, damit die Kapazität auf 53 Betten vergrößert werden konnte.

Trennung von Hospiz und Langzeitpflege

Wiederum zwei Jahre später, im Sommer 1993, kündigte Mutter Marie Therese, drei Monate vor ihrem Tod, das nächste Bauprojekt an, mit dem Platz für weitere 100 Patienten geschaffen werden sollte. Generalsuperior Karl-Heinz Haus: „Ich sagte ihr, dass das unmöglich sei. Mechernich habe eine ausgesprochene Randlage für in Frage kommende Patienten – und auch die Notwendigkeit, 300 Fachkräfte für die Pflege in der Eifelregion zu rekrutieren, stelle ein unüberwindbares Hindernis dar.“ Doch die Gründerin wies die Skepsis ihres Geistlichen Begleiters zurück. Und so wurde 1997 der Anbau mit weiteren 100 Betten fertig gestellt. Erstmals wurde dort die Hospizarbeit mit einem eigenen Wohnbereich von der Langzeitpflege getrennt.

Im gleichen Jahr wurde mit §39a im fünften Sozialgesetzbuch eine gesetzliche Grundlage zur Finanzierung stationärer Hospize geschaffen. Seitdem übernehmen die Krankenkassen die Kosten bis auf zehn Prozent (heute nur noch fünf Prozent), die der Einrichtungsträger aufbringen muss. Für den Hospizgast ist der Aufenthalt kostenlos.

Mutter Marie Therese schrieb: „Wir brauchen gerade für unsere Zeit Einrichtungen wie Hospize, mit denen Zeichen der Mitmenschlichkeit gesetzt werden [...]. Darin sehe ich die einfachste Antwort auf die Not unserer Zeit, in einem neuen Miteinander und Füreinander.“ Norbert Arnold, seit 2003 Geschäftsführer der Communio in Christo, erinnert sich, was er im Vorfeld über seinen künftigen Arbeitgeber erfuhr: „Die kümmern sich um die, die sonst keiner haben will.“

Würdiges Bestehen für die Notleidenen

Die Gründungen von Mutter Marie Therese hatten zum Ziel, die Beschlüsse des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962-1965) in die Tat umzusetzen, entsprechend dem Leitspruch „Caritas est Vivere in Deo“ (Die Liebe zum Nächsten ist Leben in Gott). Bei der Communio-Gründung schrieb sie: „Du, o Gott, hast mich gebeten, das Herz aller Menschen zu erreichen und hast mich beauftragt, [...] für die Notleidenden etwas zu unternehmen, damit auch sie ein würdiges Bestehen haben.“

Im Sozialwerk Communio in Christo e.V. sei es deshalb nicht von Bedeutung, ob ein Mitarbeiter katholisch getauft ist oder nicht, so der Communio-Geschäftsführer. Wichtig seien vielmehr die berufliche Qualifikation und die Anerkennung des Grundgedankens, im Sinne der Nächstenliebe zu handeln. Gleiches gilt für die Bewohner. Norbert Arnold: „Wir möchten hier für alle da sein.“

Im Jahr 2003 bekam das Hospiz „Stella Maris“, das bis zu zwölf Menschen ein letztes Zuhause geben möchte, ein eigenes Gebäude. Das zum Himmel mit einer Glaskuppel überspannte und lichtdurchflutete, sternförmige Haus sollte von vorneherein „kein steinernes Gebäude“ werden, wie Mutter Marie Therese 1990 ihre Beweggründe darlegte, sondern es sollte „eine lebendige Idee“ verkörpern. Es sei „die Antwort auf die Frage nach dem Wert menschlichen Lebens angesichts von Leid und Tod.“

Individuelle Lebensqualität im Mittelpunkt

Gerade im Hospiz sei man dem Leben verpflichtet und versuche, alle Wünsche der Gäste zu erfüllen, berichtet das Pflegeteam. Solche Wünsche reichen etwa vom schnellen Internet, über einen letzten Schwimmbadbesuch bis zur Hochzeit im Hospiz. Im Mittelpunkt steht die individuelle Lebensqualität. So äußerte sich auch Mechernichs Bürgermeister Dr. Hans-Peter Schick zum ersten Jubiläum des neuen Hospizgebäudes: „Sterben muss wieder als Teil des Lebens begriffen werden. Hospize bejahen das Leben. All denjenigen, die sich der vielfältigen Pflege- und Begleitaufgaben annehmen, zolle ich meinen Dank und Respekt.“

Die Langzeitpflege für Schwerstpflegebedürftige bietet heute Platz für 111 Bewohner, das Durchschnittsalter liegt derzeit bei etwa 40 Jahren. Das Spektrum der Krankheitsbilder ist groß und reicht von Schädel-Hirn-Traumata nach Unfällen über neurologische und psychiatrische Erkrankungen wie Chorea Huntington bis zu Stoffwechsel-Erkrankungen und Menschen, die künstlich beatmet werden müssen. Einrichtungsleiterin Sonja Plönnes setzt dabei auf erfahrene und besonders geschulte Fachkräfte. „Unsere Mitarbeiter verfügen über jahrelange Erfahrung darin, Menschen in kritischen Verläufen zu betreuen.“

Außergewöhnlich sei auch die umfangreiche Ausstattung der Pflegeeinrichtung, etwa mit einem Sauerstofftank für bis zu 30 Beatmungsplätze. Die Bewohner profitieren außerdem vom umfassenden therapeutischen Ansatz in der Langzeitpflege: Auf 111 Pflegebedürftige kommen aktuell 13 Therapeuten der unterschiedlichsten Fachrichtungen, von Psychologie über Ergotherapie und Logopädie bis zur Musiktherapie.

Wunsch nach neuer Wertschätzung für die Pflege

Dennoch sei es in den vergangenen Jahren immer schwieriger geworden, neues Personal zu gewinnen. Grund dafür seien die gestiegenen Anforderungen an die Pflege, erklärt Sonja Plönnes. „Der bürokratische Aufwand aber auch die pflegerische Belastung sind immer größer geworden.“

Eine besondere Herausforderung stellt aktuell die Corona-Pandemie dar. „Wir pflegen schon immer Patienten mit infektiösen Erkrankungen, aber die ständig wechselnden Erlasse der Ministerien, die sich manchmal sogar widersprechen, sind für uns nur schwer und mit viel Aufwand zu bewältigen“, sagt Norbert Arnold. So habe man beispielsweise für die Einrichtung von separaten Bereichen zur Isolation und Quarantäne das ganze Haus inklusive Personal innerhalb kürzester Zeit umstrukturieren müssen, nur damit der Erlass fünf Tage später wieder aufgehoben wurde. Gerade für schwerstpflegebedürftige Bewohner sei die Verlegung aus der gewohnten Umgebung in einen anderen Wohnbereich ein wahrer Gewaltakt gewesen — und das ohne dass es überhaupt einen Corona-Verdachtsfall gegeben hätte.

Während in Corona-Zeiten von vielen Seiten Unterstützung für die Pflege gefordert wird, wünschen sich Norbert Arnold und Sonja Plönnes gerade abseits der Pandemie eine neue Wertschätzung für die Pflege. Wünschenswert sei eine politische und gesellschaftliche Anerkennung der pflegerischen Leistung im Gegensatz zur über viele Jahre kultivierten Abneigung gegen Alters- und Pflegeheime.

Sterbehilfe-Urteil nur vordergründige Freiheit

In diesem Zusammenhang stelle auch das aktuelle Sterbehilfe-Urteil des Bundesverfassungsgerichts eine fatale Verschiebung von Werten und Grundsätzen in der Gesellschaft dar. Die Feststellung, dass manches Leben nicht mehr lebenswert sei, sei „ein Schlag ins Gesicht unserer Bewohner“, so der Communio-Geschäftsführer.

Diese vordergründige Freiheit könne weitreichende Konsequenzen nach sich ziehen, etwa den Druck auf Pflegebedürftige, ihren Angehörigen nicht zur Last zu fallen. „Das ist ein Problem, dem wir uns mit unserer Geschichte und vor dem Hintergrund unseres spirituellen Auftrags stellen müssen“, betont Norbert Arnold und fügt hinzu: „Es gibt keinen Grund anzunehmen, dass ich mich auf die Silvesterfeier mit Freunden mehr freue, als beispielsweise einer unserer Bewohner, der mit seinem Betreuungsassistenten ein Feuerwerk steigen lässt.“

pp/Agentur ProfiPress