Landrat mit im Ruderboot

Scheidender evangelischer Pfarrer Dr. Michael Stöhr verglich verschiedene Schiffs- und Bootstypen mit Menschen und Berufungen – Hunderte nahmen Abschied von beliebtem Seelsorger, auch Mechernichs Bürgermeister Dr. Hans-Peter Schick und Krankenhaus-Geschäftsführer Martin Milde

Mechernich/Roggendorf – Seine Beliebtheit über Konfessions- und Institutionsgrenzen konnte man am Zustrom von Menschen zu den Verabschiedungsfeierlichkeiten für den evangelischen Mechernicher Gemeindepfarrer Dr. Michael Stöhr am Sonntag ablesen.

Geschätzte 200 Gläubige erlebten die offizielle Entpflichtung nach fast 35 Amtsjahren durch Synodalassessor Pfarrer Martin Obrikat aus Aachen in der Roggendorfer Kirche. Beim anschließenden Festakt und gemütlichen Teil platzte das Dietrich-Bonhoeffer-Gemeindehaus auf dem Mechernicher Johannesberg fast aus allen Nähten.

Bei beiden Veranstaltungen sang der brillante Dietrich- Bonhoeffer-Chor unter der Leitung von Pascal Lucke. Jugendliche der benachbarten Trinitatis-Gemeinde führten zudem eine lustige Playback-Sockenpuppen-Choreographie zum Film „Sister Act“ mit dem seither berühmten Nachfolgesong „I will follow him“ auf.

Weil Dr. Michael Stöhr bei seiner Predigt verschiedene Schiffs- und Bootstypen im Hinblick auf ihre Tauglichkeit für die christliche Verkündigung miteinander verglich, parodierte Organist Thomas Hess das Ganze mit dem Einspielen von Wencke Myhres Song „Er hat ein knallrotes Gummiboot“ von 1970. Im Bonhoeffer-Haus spielte er dem Tausendsassa Michael Stöhr zu Ehren Reinhard Meys Chanson „Ich bin Klempner von Beruf“.

„Unabgehoben auf Menschen zu“

Ernsthafter, aber nicht ohne Humor ging es bei den offiziellen Verabschiedungsansprachen von Mechernichs Bürgermeister Dr. Hans-Peter Schick, Landrat Markus Ramers, Kreiskrankenhaus-Geschäftsführer Martin Milde und Diakon Manfred Lang zu, dem stellvertretenden Generalsuperior des Ordo Communionis in Christo in Mechernich.

Markus Ramers setzte sich rhetorisch mit Michael Stöhr ins gemeinsame Ruderboot und bescheinigte dem scheidenden Seelsorger eine unabgehobene Art auf Menschen zuzugehen. Bürgermeister Dr. Hans-Peter Schick nannte Stöhr einen „hilfsbereiten netten Menschen“. Jeder auf seine Art seien er und der scheidende evangelische Pfarrer wie alle Politiker und Geistlichen auch „Menschenfänger“.

Dr. Schick hob vor allem Michael Stöhrs soziales und bürgerschaftliches Engagement für die Mechernicher „Tafel“, die gemeinnützige Mechernich-Stiftung und den Kreiskrankenhaus-Förderverein hervor. Der Stadtverwaltungschef freute sich, dass der in Mechernich-Nord lebende Theologe auch zukünftig weiter in der Stadt und im Umland aktiv sein werde. Wenn Dr. Stöhr nicht Priester geworden wäre, dann wäre Stadtplaner ein geeignetes Betätigungsfeld für den heute 64-Jährigen geworden.

Martin Milde, der Geschäftsführer des Gesundheitsverbundes Kreiskrankenhaus Mechernich GmbH, dankte Dr. Michael Stöhr für alles, was er für das Kreiskrankenhaus Mechernich getan habe. Nicht nur als Klinikseelsorger an der Seite seiner katholischen Kollegin Cordula Waberzek, sondern auch als Stellvertreter Ralf Claßens im Krankenhaus-Förderverein. Stöhr sei ein Teamplayer, seine Projektearbeit zeichneten ihn aus.

„Pastoraler Pragmatiker“

Diakon Manfred Lang erinnerte an die lange Freundschaft zwischen Michael Stöhr und dem ersten Generalsuperior der Communio in Christo, Pfarrer Karl-Heinz Haus, sowie an viele Berührungspunkte zwischen beiden Institutionen wie der Mechernicher „Tafel“ und gemeinsamer Ausbildung von Hospizhelfern. Stöhr sei ein pastoraler Pragmatiker, er wende sich den Menschen zu und gebe ihnen neuen Lebensmut.

Cornelia Carl, Andrea Söhngen und Pfarrerin Susanne Salentin überreichten Dr. Michael Stöhr und seiner Frau Sigrid Frentzen-Stöhr, die ebenfalls Pfarrerin ist, eine Windfahne für den Garten. Für die Trinitatis-Gemeinde im Schleidener Tal bedankten sich Pfarrer Christoph Ude und Maike Henric-Petri (Konfi Teamerin und Mitglied im Jugendausschuss). Durch das Programm führte als eloquenter Moderator der Anwalt und Presbyter Hans-Michael Seidler.

1980 begann Michael Stöhr sein Studium der Theologie in Bonn, das er in Heidelberg fortsetzte. Nach dem Vikariat in Köln-Marienburg und seinem zweiten theologischen Examen 1988 ging Franz-Michael Stöhr, so sein vollständiger Name, zunächst in die Matthäuskirchengemeinde Hürth, bevor er im März 1990 als Pfarrer in Mechernich eingeführt wurde.

„Hiobs Trost“, Stöhrs späte Promotion

Konfi-Gruppen, Frauenhilfe, Erwachsenengesprächskreis, Taufen, Trauungen, Ehejubiläen, Gottesdienste, Kirchentagsfahrten und Gemeindefeste bestimmten seinen Alltag. Genauso jedoch die Fragen von Finanzen und Gebäudeverwaltung. „Ich habe es immer als Defizit betrachtet, dass ich wenig mit der Bibel zu tun hatte“, sagte er im Interview mit dem Journalisten und Buchautor Stephan Everling.

So habe er ein Projekt über das Buch Hiob gestartet, viel Material gesammelt und sich mit Auslegungen dieses Textes beschäftigt, was durch den Bonner Professor Hans Strauß angeregt worden sei. So entstand seine in Buchform verlegte Doktorarbeit „Hiobs Trost“.

„Existenzialistische Fragen haben ihn durch sein Leben begleitet“, schreibt Stephan Everling. So sei die Frage, was letztlich bleibt, eine Frage des Gottesverständnisses. „Bei Hiob ist es ein ferner Gott, aber ich habe mich für den empathischen Gott entschieden, wie ihn zum Beispiel auch Anselm Grün sieht“, so Dr. Stöhr. Der Mensch habe für ihn Würde und Existenzberechtigung.

Ob es ein Ruhestand für Michael Stöhr wird, sei fraglich. So überlege er, im Sektor Psychotherapie tätig zu werden. „Ich sehe, wie viele Menschen Hilfestellung benötigen…“ Auch will er seine Tätigkeit in der Mechernich-Stiftung und im Krankenhausförderverein fortsetzen, zudem Vertretungsdienste für Kollegen übernehmen. Und dann freut er sich auf  Reisen, die er unternehmen will.

pp/Agentur ProfiPress