Der Heilige Geist, das Konzil und die Gemeinschaft in Christus

Gott spricht durch Menschen zu Menschen. Das ist ausweislich der Heiligen Schrift und der ganzen Heilsgeschichte ein Merkmal göttlicher Offenbarung. Auch zum Zweiten Vatikanischen Konzils gibt es eine Vor- und eine Nachgeschichte, in der Gottes Handschrift in den Worten und Schriften unterschiedlicher und wechselnder Akteure deutlich zu erkennen ist. Sein Geist offenbarte sich schließlich vor allem im Konzil selbst durch höchst unterschiedliche Konzilsväter und Berater wie in den Dekreten, die das Konzil Kirche und Welt hinterließ.

Mutter Marie Therese spielte im Konzert der Stimmen vor, während und nach dem Konzil, derer sich Gott bediente, eine ganz besondere Rolle: In ihrer Gründung bestätigte der Heilige Geist „sein“ Konzil und gab durch die „Communio in Christo“ (Gemeinschaft in Christus) gleichzeitig ein Exempel, wie sich die Kirche der Zukunft  gestalten soll. Und der Geist zeigte durch Mutter Marie Therese auch, wie die Kirche „Nachfolge Christi“ leisten und leben soll, nämlich in tätiger Nächstenliebe, dem ersten und größten Gebot.

„Das Konzil ist »seine« Idee“

Zur Geistgewirktheit des Konzils beginnen wir mit einer Episode weit im Vorfeld. Zu Wort kommt in der Biographie Peter Hebblethwaites niemand geringerer als Papst Johannes XXIII, der dem Sinn nach sagte: „Das Zweite Vatikanische Konzil ist eine Idee des Heiligen Geistes“. Der Entschluss von Papst Johannes, ein Konzil abzuhalten, habe sich im Dezember 1958 herauskristallisiert: im Januar hatte er seinen Entschluss gefasst.

„Das genaue Datum der Entscheidung könnte sehr gut die Nacht des 8. Januar 1959 gewesen sein. Auf jeden Fall traf er am nächsten Morgen Don Giovanni Rossi, der vierzig Jahre vorher Sekretär seines Helden Kardinal Ferrari gewesen war. Johannes sagte: »Ich möchte Ihnen etwas Wunderbares erzählen, aber Sie müssen mir versprechen, es geheim zu halten. Letzte Nacht hatte ich eine großartige Idee, ein Konzil abzuhalten.« Rossi murmelte seinen Beifall. Was kann man auch unter solchen Umständen sagen? Doch Johannes‘ nächste Bemerkung überraschte ihn völlig: »Wissen Sie, es ist nicht wahr, zu sagen, der Heilige Geist steht dem Papst bei.« Rossi glaubte, er hätte sich verhört, doch Johannes stellte seinen Seelenfrieden wieder her, als er fortfuhr: »Der Heilige Geist hilft dem Papst nicht. Ich bin einfach sein Helfer. Er hat alles getan. Das Konzil ist seine Idee.« (Rossi in Utopia, ital. S. 315)“

Seine Idee hatte der Heilige Geist Jahre zuvor bereits in Papst Pius XII geweckt durch Pater Riccardo Lombardi und ihre am 10. Februar 1952 von Papst Pius XII proklamierte „Bewegung für eine bessere Welt“. Es ging Lombardi bereits vor dem Konzil, wie der Communio-in-Christo-Gründerin nach dem Konzil um eine lebendige, menschenfreundliche Kirche, durch die die Liebe und der Heilswille Gottes allen Menschen erfahrbar gemacht werden soll.

Die Nachfolge Christi als Regel

Mutter Marie Therese hatte sich bei einem Rombesuch bereits die Worte zurechtgelegt, die sie Papst Johannes Paul II. sagen wollte, doch gelangte sie durch Intrigen nicht zu der bereits zugesagten Privataudienz. Ihre Worte lauteten: „Was ich Ihnen übergebe, ist die Verwirklichung des Zweiten Vatikanischen Konzils!“ Dann hätte sie ihm ihr die gelebte Nächstenliebe verbindlich festschreibendes Buch „Die Nachfolge Christi als Regel“ übergeben – und ihre dringende Bitte, eine Konzilskongregation einzurichten.

In ihrem Buch „Ein Charisma in der Kirche“ (Untertitel: „Die Hoffnung für schwere Zeiten“) schreibt Mutter Marie Therese in tiefer innerer Übereinstimmung mit dem Konzilsdekret zur zeitgemäßen Erneuerung der Orden: „Gott ist tatsächlich in seinem Erbarmen in unsere Zeit herabgestiegen, um zu verwirklichen, was beim Wort stehengeblieben ist. Im Wesen unserer zerfallenen und verzweifelten Welt wird deutlich, dass nur die in Communio gelebte Liebe das Grundgesetz der Verwirklichung des Konzils ist.“

Zusammenschluss aller Bewegungen

So sei es der „Wille Gottes, in einem Charisma – in der Gründung der Communio in Christo – den Grundstein zu legen für den Zusammenschluss aller Bewegungen innerhalb der katholischen Kirche unter dem e i n e n Namen «Communio«, um so das II. Vaticanum zu realisieren“. Die Communio-Ekklesiologie, so konstatierte auch Kardinal Walter Kaspar in einem Kommentar zur Bischofssynode 1985, sei „die zentrale und grundlegende Idee der Konzilsdokumente“.

Baselios Kardinal Cleemis, Katholikos, meditierte bei einem Besuch im Mutterhaus der Communio in Christo bei einem Gespräch im Konferenzraum geradezu sinnfällig die Brücke zwischen beiden Aspekten, „Gemeinschaft“ und „Gemeinschaft in Christus“, in dem er halblaut vor sich hin wiederholte: „Communio…. Communio…. Communio…“ Und dann laut, wie als Antwort auf seine sich selbst gestellte Frage vor allen Anwesenden: „… in Christo!“ In der neuen Kirche geht es um die Gemeinschaft in Christus. „In Liebe vereinen“ lautete auch der Bischofs-Wahlspruch des Katholikos der syro-malankarisch katholischen Kirche.  

In Karl Rahners und Herbert Vorgrimlers Kleinem Konzilskompendium heißt es auf Seite 318: „Letzte Norm des Ordenslebens ist die im Evangelium dargelegte Nachfolge Christi. Sie hat allen Instituten als oberste Regel zu gelten.“ In ihrer „Regel“ definiert Mutter Marie Therese das so: „Die einzige Nachfolge Jesu ist die gelebte Nächstenliebe“.

Das vom Heiligen Geist inszenierte Konzil kam laut Mutter Marie Therese, um die existenziellen Fragen der Menschen an der Schwelle ins dritte Jahrtausend zu beantworten und sie allesamt zur Gemeinschaft mit Christus einzuladen: „Ein Konzil wurde ins Leben gerufen, das zum Leben aufruft. Bis heute ist es verkannt…“ Den Worten von Gemeinschaft und Nächstenliebe folgten nicht die entscheidenden Taten.

Das lag am Hochmut der kirchlichen Entscheidungsträger und mangelnder Demut dem Wirken des Heiligen Geistes gegenüber, so Mutter Marie Therese. Johannes XXIII hingegen sagte einmal zu Pater Lombardi: „Ich bin nicht hier, um die Kirche zu leiten. Ich bin hier, um das zu erkennen, was der Heilige Geist in der Kirche wirkt.“

Wurzel im Paschamysterium

Angelo Roncalli, so sein bürgerlicher Name, der erst mit 76 Jahren Papst wurde und vom Konklave ausdrücklich als „Zwischenlösung“ vorgesehen war – setzte inspiriert und demütig zugleich um - er ließ es vielmehr zu -, wofür sich Pius XII am Abend seines Pontifikats und seines Lebens zu müde gefühlt hatte, das Zweite Vatikanische Konzil.

Die Wurzel des Konzils ist das Paschamysterium. Mutter Marie Thereses Gründungscharisma bestätigt das. Das Kreuz Christ ist für sie der Punkt, in dem sich alle Linien und Achsen des Universums treffen, auch die ihres eigenen Leidens und  ihres eigenen in mystischer Vereinigung mit Gott erfahrenen Glücks. Im Kreuz sind alle Widersprüche und Grenzen aufgehoben, es sprengt sogar die Fesseln des Todes. Mutter Marie Thereses bestätigt in ihrem Gründungscharisma für das 21. Jahrhundert die Liebe des Gekreuzigten und Auferstandenen zu jedem Einzelnen -und seine Erlösungstat für alle Menschen. Sie betete inbrünstig zu Gott, „damit sich dieses Charisma weltweit ausdehne“. Alle sollten den Heiligen Geist im Zweiten Vatikanischen Konzil und in ihrer Gründung Communio in Christo erkennen…